Die Singer-Songwriterin Lotte kämpft bei ihrem Sparkassen-Open-Konzert gegen die Regenmelancholie Text und Fotos: Klaus Gohlke
Ein Konzert im Regen muss nichts Schlimmes sein. Und auch wenn gleichzeitig ein Fußball-WM-Halbfinale gespielt wird, ist das nichts, was trübsinnig stimmen muss. Nein, es ist, wie es ist. Dem bietet man die Stirn. The Show must go on. Das schien sich auch Lotte, die 22jährige Singer-Songwriterin mit ihrer Band am Mittwochabend im Après – Tennis – Konzert so vorgenommen zu haben. Fieser Regen setzte kurz vorm Gastspiel ein und trieb die Besucher unter das Dach des großen Vorbühnenzeltes. Da es nur sehr wenige Hundert waren, war das kein Problem.
„Wir tanzen den Regen weg! Das wird ein schöner Abend!“, prophezeite die Musikerin zuversichtlich. Und sie machte Vieles auch ganz richtig. Start in den ersten Song ohne Handbremse. „Farben“ heißt er. Also schon mal dem Wetter widersprochen! Das Publikum wird ins Konzert hineingezogen. Es geht ans Mitklatschen, Mithüpfen, Mitsingen. Zwischendurch Stimmungswechsel ins Intimere. Nur Stimme und Keyboard. Keine einfache Sache, klappt aber, denn Lotte kann singen.
Das Publikum ist überdies willig und beweist Kennerschaft. „Auf beiden Beinen“ wird textsicher mitgesungen. Und der Song hat ja auch was. Es geht um Freiheit und Bindung, Liebe und Trennung, Freude und Ängste. Der Text ist offen. Es mag um das Ende einer Liebe oder die Trennung von Zuhause gehen. Lotte also so etwas wie ein Role-Model. Wenn es dann über die „Flügel-Bridge“ in den Refrain geht, schiebt die Musik richtig nach vorn. Gut.
Nur – läuft „Pauken“ nicht nach dem gleichen Muster? Oder „Wenn’s zu Ende geht“ oder „Farben“? Aufbau, Tempo nahezu identisch. Klar, es gibt die Balladen. Melancholie pur, wie „Die schönste Zeit der Welt“, „Schwer“. Texte, denen man zuhören will. Aber es wächst ein eigentümliches Unbehagen während des Konzertes. Musikalisch müsste sich da mal etwas ereignen! Dass da Könner an ihren Instrumenten arbeiten, die auch einzeln etwas zu sagen haben, kann man nicht erleben. Perfektes Interplay ist ja nicht die musikalische Welt, sondern eher deren Voraussetzung.
Und die „Frontfrau“ Lotte, die zur neuen deutschen Pop-Hoffnung gehypt wird, bleibt zu brav. Da müsste mal etwas abgehen. „Stoß mich raus aus deinem Nest!“, singt sie. Aber das ist ja nur ein kleiner Schubser. Es bleibt alles moderat. Ein Konzert braucht Gefühle. Ergriffenheit, Überschwang, Wut: die Emotionen bleiben gedeckelt.
Diese junge Musikerin braucht Zeit zum Reifen. Für genaue Blicke etwa zum Nu-Folk Englands. Es wäre schade, würde sie im Geschäft nur verheizt. So hängt ein eigentümlicher Grauschleier über dem Konzert, dem Wetter nahe. Am Publikum hat es nicht gelegen.