Silent Radio kämpfte beim BRAWO Open Air auf dem Wolters Hof wieder mit dem Gewitter und obsiegte Text und Fotos: Klaus Gohlke
Ein junger Mann betritt die Bühne und fragt heiter: „Kennen Sie mich noch vom letzten Jahr?“ Aha, ein Special Guest beim Konzert von Silent Radio im Rahmen der Volksbank BRAWO Bühne. Allerdings – kein Applaus, eher ein Aufstöhnen im Sinne von „Nicht schon wieder!“. „Eine Gewitterzelle befindet sich genau über Braunschweig, wir müssen das Konzert unterbrechen und in die Lagerhalle verlegen!“, fährt er cool fort.
Man fühlte sich ans weihnachtliche „Dinner for one“ erinnert. An James‘ Frage: „Same procedure as last year, Ms. Sophie?” Yes, Silent Radio, auch dieses Jahr der Kampf gegen das Gewitter und die Fortsetzung in der Halle. Hat ja auch was. Der Umzug vollzieht sich heiter-gelassen. Alles ist sorgfältig organisiert und umsichtig vorgeplant. Keine einfache Sache, 2000 Fans ohne Chaos zu dirigieren. Aber auch Fans, die die Sache positiv sehen und dafür sorgen, dass der Stimmungspegel gehalten wird. Respekt!
Dabei fing ja alles so normal an. Gutes Catering, Fingerlaternen für jedermann, wohlige Feucht-Wärme. Der Singer-/Songwriter Son mit Band wärmte auf. Leider nicht unbedingt beglückend. Gute Stimme, durchaus, aber der Sound war schlecht abgemischt. Jedes Viertel der Bass Drum, und davon gab es viele, traf ins Zwerchfell. Diese Art von Musik braucht überhaupt nicht maximale Lautstärke.
Und dann diese leidige Anrede mit „Hallo, Braunschweig!“ „Braunschweig! Ihr seht gut aus!“, so Son. Ja, geht’s noch? Dass Silent Radio ähnlich ansprach, macht’s ja nicht besser.
Aber dann: David Bowies „Heroes (just for one day)!“ Das war der Opener der Braunschweiger Lokal-Helden. Kein leises Radio. Lars Bottmer fieberte mit seiner Akustischen auf der Bühne herum wie Bruce Springsteen. Ein satter Sound und klare Ansage: Mitmachen! Also singen, tanzen, klatschen, lichtern. Und damit das allen klar wird, gleich noch „Sweet dreams“ von den Eurythmics, gefolgt von einer obligatorischen U2-Interpretation.
Die Band ist absolut gut eingespielt mit Claus Hartisch an der Gitarre, Jens Müller am Bass, Lars Plogschties am Schlagzeug und Rainer Tacke an der E-Geige. Und in Lars „Louie“ Bodmer hat sie einen Sänger, dessen Stimme passt und selbst in den Höhen beinahe an Kraft gewinnt. Nicht unbedingt charismatisch im Auftreten, aber enorm treibend, der Mann.
Diese Mixtur aus Greatest Hits of Popmusic und Eigenkompositionen kommt an. Rihanna, Scorpions, Whitney Houston, Joan Osborne, Oasis: Das schafft Raum für ganz private Erinnerungen, Gemeinschaftsgefühl, Pathos, Sentimentalitäten. Und selbst so ein blitzlichterndes Konzerttorpedo kann der guten Grundstimmung keinen Abbruch tun.
Wie lange die Band mit diesem sich wiederholenden Konzept wohl noch Attraktion ist? Wie dem auch sei, die Antwort weiß eh nur der Wind. Aber nahezu genialisch war Einfall der Musiker, gegen Ende des Hallen-Intermezzos dem Wetter draußen Princens „Purple Rain“ entgegen zu halten. Ob man den anschließend draußen so purpelig empfand, sei dahin gestellt. Ohne Frage aber ein beeindruckender, stimmungsvoller Abend.