Der Soundtrack des Wilden Westens

Veröffentlicht: 22. Juli 2019 in Allgemein

 

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Text: Klaus Gohlke                                                                                         Foto: Philipp Ziebart                              

Das Orchester der TU Braunschweig geht zum Semesterabschluss westwärts

Ist doch die halbe Miete, wenn eine Veranstaltung in ein passendes Ambiente gelegt werden kann. „Go West! Ein musikalischer Wild West Circus.“ Das ist das Motto des diesjährigen Abschlusskonzertes des TU Orchesters. Westen und wild in Braunschweig? Kein Problem. Eine mächtige Industriehalle in der Arndtstraße wurde gefunden: das Stellwerk. Eine Warnung vorab ans Publikum: „Flaches Schuhwerk wird empfohlen und Sitzkissen wegen der Bestuhlung!“ Klingt doch irgendwie wild-riskant, oder? War aber alles im sicheren Bereich. Und natürlich alles dem Umbau des  Audimax der TU geschuldet.

Mitten hinein ging’s dann. „The Magnificent Seven!“ Die Glorreichen Sieben. Elmar Bernsteins Hauptthema aus John Sturges‘ gleichnamigem Western. Fanfare, wenn man so will. „Der Stoff, aus dem die Träume sind!“, heißt es im Begleittext. Was für Träume? Kommt Klischeereproduktion pur?

Nun, das war mitnichten so. Zwar schien Götz van Ooyen diese Schiene zunächst fahren zu wollen, als er als „Zirkusdirektor Buffalo Bill“ die Bühne enterte. Er bespaßte das Publikum nach Kräften. Animierte es, die legendäre Schlacht am Little Bighorn nachzuspielen. Eindrucksvoll übte er mit allen einige Grundfiguren des Squaredance. Eine echte Gaudi. Aber dabei blieb es zum Glück nicht. Zum einen ironisierte Van Ooyen seinen Buffalo Bill – Part, vor allem aber wechselte er selbst geschickt die Rollen. Er wurde zum Erzähler, Vorleser, Erklärer. Später auch noch zum gefühlvollen Sänger.

Und dann war da natürlich die Musik, deren Spannbreite vom klassischen Country und Western über Film- und Ballettmusiken zur – wenn man so will – sinfonischen Dichtung reichte. Wunderbar die drei jungen Sänger, die Stan Jones‘ „The Searchers“ in der Pioneers-Version darboten. Kann man sanfter die rastlosen Männer in die  weite Einsamkeit musikalisch dahin reiten lassen? Weiter ging’s mit Ennio Morricone. Klar, ein Muss. „A fistful of Dollars“ statt des üblichen Todesliedes. Und auch ein Medley aus Martin Böttchers Musiken zu Karl-May-Verfilmungen darf nicht fehlen.

Ja, und dann ließ van Ooyen so ganz nebenher einen unglaublich treffenden Satz fallen. „Und nun hören Sie den Dvořák. Der hat ja den Soundtrack des Wilden Westens geschrieben!“ Die „Tonspur jener Zeit“ mit seiner „Sinfonie aus der neuen Welt“, und insbesondere das Largo daraus. 1893. Die Totenklage eines indianischen Häuptlings, eigentlich ein Abgesang auf das Überleben seines Volkes, wenn nicht gar mehr.

Eine Industriehalle ist kein Konzertsaal, und man musste fürchten, dass gerade Pianissimo-Passagen verloren gehen. Aber nein. Das Orchester, von Markus Lüdke wieder hervorragend motiviert und angeleitet, arbeitete absolut feinfühlig den Gehalt der Komposition heraus und berührte spürbar.

Überhaupt: ob Coplands Ballettmusik, insbesondere „Prairie Night“, Tiomkins „High Noon“ – Suite oder John Williams „Cowboys“-Ouvertüre: die gerade der Filmmusik eigenen Tempo-, Dynamik- und Rhythmuswechsel gestaltete das Orchester trefflich. Und was für eine schöne Idee, den achtzigjährigen Mundharmonikaspieler Achim Schwenkler beim Winnetou-Medley einzubeziehen. Als Zugabe noch „Shenandoah“. Zu Recht stehende Ovationen.

Noch einmal am Dienstag, 16. Juli 2019. 19.30 Uhr im Stellwerk West, Arndtstraße 5, Braunschweig. Eintritt frei

 

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