Eine beeindruckende Posaunenserenade auf dem Burgplatz beim 34. Landesposaunentag der Braunschweiger Landeskirche Text und Fotos: Klaus Gohlke
„Fürchtet euch nicht!“, mochte man frohen Mutes ausrufen. Dreihundert oder mehr Posaunenspielerinnen und -spieler auf dem Burgplatz sind keine Gefahr! Nein, kein zweites Jericho droht. Die Musiker umrunden ja nicht siebenmal das Herzstück Braunschweigs. Und es erhebt sich auch kein Feldgeschrei, auf dass Dom, Burg und unschuld’ger Löw’ in sich zusammenbröseln. Zwar lautete das Motto des 34.Landesposaunentages der Braunschweiger Landeskirche „hier und jetzt“, aber das meinte – Gott Lob – nicht, dass zur Attacke geblasen wurde. Freilich – ein Ständchen war es nicht gerade, was man sich da ausgedacht hat, auch wenn es sich „Serenade“ nannte. Aber muss eine derartige Ballung dieses Instruments nicht doch zu Trommelfellverwerfungen führen? Posaune bedeutet, mal wortgeschichtlich betrachtet, „singendes Rind“. Und mehr als dreihundert davon?
Nun, es wurde nichts heraus posaunt. Schon das eröffnende Präludium und Rondo zeigte, was sich im Folgenden dann bestätigte: trotz nur knapper Probenzeit vermochte Landesposaunenwart Siegfried Markowis ein durchaus differenziert und diszipliniert spielendes Blechbläserensemble zu präsentieren.
Trotz der Tatsache, dass Posaunenspielerinnen und -spieler ganz unterschiedlicher Fähigkeit zusammenkamen, war man anspruchsvoll. Und zwar insofern, als man Kompositionen ganz unterschiedlichen Stils zu Gehör brachte. Vor allem aber, weil bekannte Kirchenlieder wie „Von Gott will ich nicht lassen“ nicht nur im Originalsatz wiedergegeben wurden. Vielmehr wechselten sich modernes Vorspiel, alter Satz und moderne Neufassung ab. So kamen die unterschiedlichen Posaunenklänge sowie die mächtige Tubasektion gut zur Wirkung.
Musikalischer Höhepunkt war natürlich die Welturaufführung der Nils Wogram-Komposition „Spiritual Life“. Wogram, einer der bedeutendsten Jazzposaunisten der Gegenwart, hatte von Markowis eigens für diesen Landesposaunentag den Kompositionsauftrag erhalten. „Das Stück sollte einerseits meine musikalische Handschrift tragen, aber auch dem Format Posaunenchor/Blechbläserensemble gerecht werden!“, erläutere Wogram auf Nachfrage. Und er ergänzte: „Es featured den orchestralen Klang, ein paar raffinierte Harmonien und Melodien und ein bisschen Improvisation von mir!“
Und in der Tat: Wograms einleitende Improvisation, in einer Art bluesverwurzeltem Ruf- und Antwortspiel vorgetragen, ließen Töne erklingen, die für viele der anwesenden Posaunisten sehr ungewohnt klingen mussten. Das betraf den Tonumfang, die mehrstimmigen Klänge (Multiphonics), die Tonverschleifungen, aber auch die rhythmischen Varianten. Insofern man dann aber mit Wogram zusammenspielte, zeigten die Landesposaunisten, dass sie durchaus auch auf ungewohnten Pfaden zu wandeln verstehen.
Wogram erhoffte sich von seiner Komposition, „dass sich Leute überhaupt Gedanken machen und sich und ihre Umgebung reflektieren. Ein spirituelles Bewusstsein gibt uns größeres Selbstbewusstsein und hilft, Entscheidungen zu treffen!“ Den zahlreich erschienenen Gästen schien dieses Angebot zu gefallen. Kräftiger Beifall und eine Zugabe.