Milliardenschwere Rache

Veröffentlicht: 4. Juni 2018 in Allgemein

20180602_200932Die Theatergruppe der TU BS präsentiert sich erfolgreich mit Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“                                                              Text/Foto: Klaus Gohlke

Besuch einer alten Dame? Nett in der Regel. Tässchen Kaffee oder Tee, etwas Torte vielleicht und ein wenig Durchhaltevermögen beim nachmittäglichen Smalltalk. So oder so ähnlich. Doch Vorsicht! Wir sind nicht im Caféhaus. Vielmehr sitzen wir im Audi Max und erleben eine Aufführung der Theatergruppe der TU BS. „Der Besuch der alten Dame“. Da kann es nicht so gemütlich werden. Selbst wenn es Boulevard wäre. Ist’s aber nicht. Es ist ein Dürrenmatt. Es naht die Tragikomödie. Und in der Tat: die Dame, die da zu sehen und hören ist, macht Schluss mit lustig. Sie kommt als Rachegöttin. Sie hat Gründe. Ein Liebhaber aus der Jugendzeit machte ihr ein Kind, bestritt mittels Lüge und Bestechung das Ganze. Sie ward aus ihrem Geburtsort verstoßen, wandelte durch tiefste Hölle als Entehrte wundersam hinauf ins Milliardärinnenlicht und kehrt nun heim. Und bietet ihrem heruntergekommenen Städtchen eine Milliarde, wenn man den Ex-Geliebten, einen Herrn Ill, tötet. „Gerechtigkeit für eine Milliarde!“

Und – wie kommt das nun daher? Aktualisiert? Als Kapitalismuskritik im Marx-Jubiläumsjahr? Im Me too – Kontext? Als Performance mit Zuschauereinbeziehung?

Nun, da kennte man das Regie- und Leitungspaar Imke Kügler und Dieter Prinzing schlecht. Sie sind bekannt dafür, Inszenierungen eng am Text orientiert zu gestalten. Ansonsten auf die grundlegenden schauspielerischen Leistungen zu achten und auf die Stärke des Stückes zu vertrauen.

Und das hat es nun in sich, wie die Jungschauspieler wissen und respektvoll einschätzen. „Die Schwierigkeit des Stückes liegt darin, den Stimmungswechsel, der sich im Stück vollzieht, darstellerisch hinzubekommen. Da ist die anfängliche positive Stimmung gegenüber Ill, die sich dann zur Ausgrenzung, zur offenen Aggression wandelt!“, sagt „Bürgermeister“ Kevin Winter im Gespräch.

Genauso ist es. Es erfordert schon einiges, den Gestus der Verlogenheit, des Hohlen, des Zynischen, des Pathetischen, aber auch des Verzweifelten, Ängstlichen, des zärtlichen Erinnerns sprachlich und vor allem mimisch darzustellen. Das gelang den jungen Leuten im Laufe des Stückes immer besser. Allen voran Annabelle Rettig und Nico Selle als Hauptfiguren steigerten sich eindrucksvoll. Auch sonst gelang es überwiegend, die im Stück angelegte Durchbrechung des Tragischen durch Mittel der Groteske nicht ins Klamaukhafte abgleiten zu lassen. Bedenken muss man allerdings, dass Pathos nicht dadurch überzeugt, dass es zu Geschrei wird, und dass in der Regel nach vorn gesprochen werden muss, um verstehbar zu sein.

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Das Bühnenbild war angesichts der sehr beschränkten Mittel des Ensembles absolut funktional: wenige, gut gruppierbare Elemente. Und dass man Umbauten als Zuschauer unmittelbar miterlebt, ist mitnichten abträglich. Zum Teil witzige Einfälle auch, was die Kostümierung und die Dekoration betrifft, die Not wird zur Tugend.

 

Das Publikum ist vom Stück spürbar gefangen genommen, was für die Leistung der Theatertruppe spricht. Viel Beifall.

Das Audi Max ist kein theaterfreundlicher Raum, was Bühne, Licht und Ton betrifft. Aber, gut – damit muss man leben und fertig werden. Dass dieser Vorzeigeraum der Universität nun aber schon seit Jahren in eher verwahrlostem Zustand den Besuchern und dort Arbeitenden sich präsentiert, ist betrüblich und bedarf des öffentlichen Protestes.

 

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