Das 5. FESTIV für Indie und Electronica kann nur teilweise überzeugen
Text/Fotos: Klaus Gohlke

Ymay
Nebel steigt auf hinter der Bühnenplattform und breitet sich halbhoch im Zuschauerraum aus. Erinnert an kühlen Wiesengrund, an den weißen Nebel wunderbar. Halt! Nicht wunderbar! Cool ist angesagt. „Underground des Underground“, „Future-/Synthie-/Elektro-Pop“. Anti-Weihnachtsmusik als sphärisch-tanzbare Kost. Gegen den Strom, aber auch nicht.
Eine Haltung, die eigentlich Motto sein könnte auch des 5. Braunschweiger FESTIVs, der Plattform für Indie und Electronic. In weiser Selbstbescheidung will man nicht nur Fest sein (weil uncool), aber auch nicht Festival (weil überdimensioniert). Eben FESTIV: man begibt sich in die Welt des ausdrücklichen Dazwischen-Seins, die ja konstitutiv ist für die Electronica-Welt.

Glantz/Stürmer
Drei musikalische Linien sollten in Beziehung gesetzt werden: IndieTronic, vertreten durch die Braunschweiger Musiker und FESTIV-Gastgeber Peter M. Glantz und Stefan Stürmer. Future Pop-Anmutungen vorgetragen vom Duo YMAY, und schließlich Trip Hop mit dem Haupt-Act des Abends, dem Projekt ANA ANA der Berlinerin Anastasia Schöck.
Es war kein Easy-listening-Abend, im positiven wie im negativen Sinne. Schon die Moderation des Abends durch Christian Krüger, wahrscheinlich als Parodie gedacht, ließ mit ihren Unbeholfenheiten und Übertreibungen Fragen aufkommen. Aber auch die musikalische Kost konnte nur teilweise überzeugen.
Das Duo Glantz/Stürmer als Opener war mitnichten „Too stoned to survive“, zu bedröhnt, um zu überleben, wie Glantz sang. Die klare rhythmische Struktur der Songs wurde durch Stürmers Bassarbeit je nach Bedarf noch akzentuiert oder aber aufgebrochen. Harmonisch-melodisch bewegte man sich nicht Vorhersagbaren und schuf in der Tat eine untergründig-dunkle Atmosphäre. Indie-Musik im besten Sinne als individuelles, strukturiertes Amalgam von Sounds, Geräuschen, tonalem Material und handgemachter Präsentation. Der Ansatz, eine Art Gesamtkunstwerk zu kreieren, also Lichtkunst, Videoprojektionen und Musik aufeinander zu beziehen, ist ansatzweise vorhanden, müsste aber geschärft werden.

YMAY
Im Gladiatorenstil mit Ton-Bombast betrat YMAY das Bühnenpodest. Das leicht Außerirdische wich schnell einer technoid geprägten, melodisch poppigeren Musik, die jedoch auf die Dauer das Publikum eher zu ermüden schien. Die Piano-Einlage dann zeigte, und das gilt auch für ANA ANA, dass das Electronica-Genre mit sich selbst nicht im Reinen ist. Das Konzept, Musik mit einem Gerät allein zu produzieren und den Aufführungsrahmen zu minimalisieren, hat seine Grenzen und führt wieder zurück zu eher traditionellen Ausflügen. Allerdings im Falle YMAYS zu einem recht trostlos-einsamen Set-Ende. Stiller Abgang mit Verweis auf den nächsten Act: unverdient einsam.

ANA ANA
ANA ANA brachte mehr Druck in den Laden, stimmlich und soundmäßig. Aber Trip Hop? Es vibrierte endlich mal das Zwerchfell bei den tiefgelegten Frequenzen, aber Anklänge an Massive Attack? Eher Wunschträume, dafür ungeklärte Zwischenwelt. Man war nicht in einem Konzert, aber auch nicht im Club, getanzt wurde so gut wie gar nicht. Die etwa hundert Gäste hingen nicht wirklich musikumspült ab, war nicht recht dabei, aber auch nicht daneben. Weder Fisch noch Fleisch also. Das Veranstaltungskonzept, in seiner Anlage gut und auch für die Stadtkultur wichtig, bräuchte eine Schärfung.