Thrashmetal-Meister „Testament“ in Wolfsburg

Veröffentlicht: 11. Juni 2015 in Allgemein
Testament  im  Hallenbad in Wolfsburg am 09.June 2015. Foto: Rüdiger Knuth

Testament im Hallenbad in Wolfsburg am 09.June 2015. Foto: Rüdiger Knuth

Musikalische Ganzkörpermassage

Die Altmeister des Thrash Metal, die US-Band „Testament“, begeistern am Dienstagabend die Fans im Wolfsburger Hallenbad

Wollte man auffallen, outfitmäßig, wäre weiß-rot gestreiftes Ringel-T-Shirt angesagt gewesen. Oder eine braune Cordhose. Ein Gefühl von Einsamkeit hätte sich eingestellt. Garantiert. Denn – wie stand es so schön auf dem schwarzen Rücken im Eingangsbereich? „There is Darkness“. Schwarze Kleidung all überall. Nein, kein Schwarzer Block, keine Anarchos. Nix Politik, dafür Musik. Und was für welche! Thrash-Metal, zelebriert im Wolfsburger Hallenbad von niemand Geringerem als den Altmeistern von „Testament“ aus der San Franzisco Bay Area, dem Gelobten Land dieser Metal-Variante.

Alles fing so harmlos an: Friedhofsszenerie als Bühnenbild, aschgrau. Ein paar menschenähnliche Wesen vorne rechts, versteinerte Untote vielleicht. Blutrotes Scheinwerferlicht irrt umher, Wolfs- oder fernes Sirenengeheul – doch dann brach es los! Infernalisch! Ein Härtetest für Gebäude und Publikum gleichermaßen.

Die Double-Bass des Schlagzeugers Gene Hoglan und der „tiefgelegte“ E-Bass von Steve DiGiorgio machten körperlich erfahrbar, wie man einen 4/4 –Takt unterschiedlich akzentuieren und in kleinste Einheiten zerlegen kann. Alles vibrierte.

Über diese rhythmische Grundierung shoutete Sänger Chuck Billy aggressiv-hart, flankiert von den beiden Gitarristen Eric Peterson und Alex Skolnick. Peterson arbeitete mit präzisem Riffing an der rhythmischen Variabilität, während Skolnick in seinen Soli, die oft in die höchsten Lagen hineingetrieben wurden, eine beeindruckende Fingerfertigkeit bewies. Seine kreative Melodieführung kontrastierte oft den brachialen Rhythmus.

Aber – die Konzertsituation, dieses Genre überhaupt, ist paradox. „Testament“ und viele andere Metaller können den Widerspruch, der ihrer Musik innewohnt, nicht auflösen. Einerseits ist diese Musik brutaler Protest. Lauter, härter, schneller, roher. Ein stetes Ausloten der Grenzen dessen, was physisch noch erträglich und machbar ist. Wer ohne Hörschutz ins Konzert geht, ist selbst schuld, man wird gewarnt.

Und wie Extremsportler trotzen die Metal-Fans der akustischen (und auch optischen) Gewalt, stemmen sich den Lärmorgien entgegen. Sie erdulden nicht etwa. Nein, sie nehmen aktiv teil mit Headbanging, Shouts, Hörnchen zeigen, Arm recken; die Härtesten ohne Hörschutz natürlich.

Andererseits wollen die Musiker aber auch Virtuosität beweisen. Hoglans Blastbeats (Hochgeschwindigkeitsspiel) an den Drums – ganz heiße Ware! Skolnicks harmonisch vertrackte Intros und die Übergänge zwischen Songteilen zeugen von musikalischem Feinsinn.

Wie das aber wahrnehmen, wenn die Ohrstöpsel einen Dumpfsound entstehen lassen, andererseits das Ohr ohne Schutz Schaden nimmt? Die Musiker leiden unter diesem Widerspruch, wie die vielen Wechsel nicht nur bei „Testament“ zeigen. Ändern können sie das freilich nicht. Dann spielten sie nämlich keinen Metal mehr.

Was bleibt, ist die faszinierende, rohe Energie der Show. Am schönsten das Bild, wenn die vier „Testamentler“ wie vorher auch die wacker aufspielende Celler Vorband „Drone“,  in feueroranges Licht getaucht,  sich abarbeiten. Vier „Metallkocher“ beim Abstich des Musik-Hochofens.

Text: Klaus Gohlke

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