Press_KitHauptsache es groovt
Der Posaunist Nils Wogram spricht vor seinem Konzert in Braunschweig über sein Instrument, die Tradition und sein Heimspiel
Der 42jährige gebürtige Braunschweiger Nils Wogram ist nicht irgendwer. Er zählt zu den bedeutendsten Jazzposaunisten weltweit, vielfach ausgezeichnet u.a. mit dem Jazz Echo, BMW World Jazz Award und vor allem dem Albert-Mangelsdorff-Preis. Er tritt mit seinem Posaunenquartett „Vertigo“ am Donnerstag, 5. Februar, im Roten Saal des Braunschweiger Schlosses auf. Mit ihm sprach unser Mitarbeiter Klaus Gohlke am Telefon.
Herr Wogram, vier Posaunen auf einmal, ist das nicht etwas befremdlich? Man bringt ja auch nicht vier Klaviere auf die Bühne.
Das kann man nicht vergleichen. Das Klavier ist Harmonie- und Melodie-Instrument. Die Posaune nur Melodieinstrument. Aber es stimmt. Posaunenquartette oder –chöre gibt es schon mal in der Kirchenmusik, im Barock oder vereinzelt auch später, aber im Jazz ist das originär.
Was ist das Besondere an diesem Instrument, was macht es geeignet für ein Quartett?
Die Posaune bietet eine große klangliche Vielfalt. Sie kann sehr weich klingen, andererseits auch sehr hart. Dynamisch ist sie sehr variabel. Vom bloßen Luftholen bis zu den berühmten fallenden Mauern. Das kann sehr homogen, choralartig sein. Aber auch so etwas wie ein Orgelsound lässt sich erzeugen. Sie hat einen großen Tonumfang, vom Bass bis zum Alt, also drei Oktaven. Und sie ist für Effekte gut geeignet, z.B. für so eine Art Beat-Boxing. Auch der Dämpfereinsatz ermöglicht viele interessante Sounds. Die Klangvielfalt erhöht sich natürlich auch dadurch, dass neben der üblichen Tenor- noch Ventilposaunen und – unabdingbar – eine Bassposaune zum Einsatz kommen. Unsere Musik ist gewissermaßen der A-Capella- Chormusik ähnlich.
Stellt die Musik besondere Anforderungen an den Zuhörer?
Nein, überhaupt nicht. Der Fokus unserer Musik liegt bei der klanglichen Vielfalt. Es geht uns nicht um eine erzwungene Neutönigkeit. Der ideale Zuhörer ist für uns derjenige, der ohne Schubladen auskommt. Der, der offene Ohren hat, neugierig ist. Wissen will: Was ist los mit der Posaune, was kann man alles machen? Na klar, man kann auch intellektuelle Informationen bekommen. Vieles erschließt sich aber intuitiv-emotional. Das Intellektuelle ist so etwas wie ein Surplus. Offener Geist für Tradition und Neuerung ist nötig. Beim Zuhörer wie beim Musiker.
Das Quartett spielt ja ohne Rhythmus-Section. Das stelle ich mir sehr schwierig vor. Gibt es so etwas wie einen Bandleader, einen heimlichen Dirigenten?
Nein, einen ersten Posaunisten gibt es nicht. Das wechselt je nach Funktion innerhalb der Stücke. Es gibt kompositorische Festlegungen. Einsätze, Soloparts sind festgelegt. Da wir alle aber eine ähnliche Philosophie des Musizierens haben, alle auf technisch sehr hohem Niveau spielen, und jeder seine Kompositionen einbringt, bedarf es keines Chefs. Das läuft sehr demokratisch. Klar, ohne Bass und Schlagzeug- das bedarf schon hoher Konzentration und einer guten Rollenaufteilung. Wichtig ist, dass sich der Groove einstellt, dann läuft das.
Ist es etwas Besonderes für Sie, hier im Braunschweig aufzutreten. Ist es ein Heimspiel?
Auf alle Fälle. Man kennt natürlich die Leute hier. Vor allem aber hat man hier seine biographischen Bezugspunkte: die Familie, Schule, musikalische Grundbildung. Es gibt eine tiefe Verbundenheit. Klar, es ist eins von ca. 150 Konzerten, aber schon ein besonderes. Und es ist ein gutes Gefühl, wenn die Stadt Braunschweig, das Kulturinstitut uns hier auftreten lässt. Ich werde hier wahrgenommen.